Corona & Freiraum

Es ist schwierig Zugriff auf Gefühle wie Freiheit oder Leichtigkeit zu haben, wenn die Nachrichten von Einschränkungen des Lebensraums und der Möglichkeiten meine Zeit zu gestalten nur so strotzen. Die einen reagieren mit Widerstand und hinterfragen, ob die Maßnahmen gerechtfertigt sind, die anderen ertragen im Stillen die Begrenzung. Dazwischen gibt es noch unzählige Positionen und jede einzelne hat auf ihre Art ihre Berechtigung und jede/r Einzelne muss die individuell passende für sich und diesen Moment finden.

Ich möchte an dieser Stelle darauf eingehen, wie ich auf persönlicher Ebene einen Zugang zum Gefühl von Freiheit bekommen kann, da ich es für enorm wichtig halte, sich diese Möglichkeit zu eröffnen, erleichtern oder erhalten.

  • Freiraum durch Alleinsein: Gerade wer mit mehreren Personen zusammen lebt, wird dieser Tage dadurch heraus gefordert, sich den nötigen Raum für Zeit mit sich allein einzuräumen. Auch hier ist es sehr unterschiedlich wie groß dieses Bedürfnis ist und es ist gut, das eigene Maß zu kennen, mit dem es mir gut geht. Ein guter Indikator dafür, dass ich mir zu wenig Möglichkeiten für meine Bedürfnisse einräume, ist es, wenn ich sehr leicht gereizt bin, sobald eine andere Person etwas von mir möchte oder auch nur mit mir in Kontakt tritt. So letzteres der Fall ist, wird es Zeit für eine Verabredung mit dir selbst. Die kann ganz unterschiedlich aussehen: ein Spaziergang allein, 5x oder 2 Minuten tief durchatmen am offenen Fenster oder auf dem Balkon, Kopfhörer aufsetzen und beim Lieblingslied die Augen schließen und auf dem Boden liegen oder wild herum tanzen, ein/e ausgiebige/s Dusche/ Bad, Meditation, Sport oder einfach mal das eigene Leibgericht bestellen oder den Lieblingsfilm schauen, statt selbst zu kochen oder noch eine Folge Biene Maja mit dem Kind zu schauen. Gerade für Haushalte mit vielen Personen lohnt es sich, einen „Allein-Raum“ einzurichten. Das muss kein ganzes Zimmer sein. Es reicht bspw. ein Zelt in einer Ecke des Flurs aufzustellen, das allein dafür da steht, dass jede/r die/der gerade nicht angesprochen werden möchte, sich dort aufhalten kann. Nicht nur für Kinder ist das Bedürfnis nach Alleinsein nicht immer so explizit artikulierbar. Daher kann es hilfreich sein, diesen Ort gemeinsam zu schaffen und als solchen zu deklarieren und seinen Sinn zu erklären. So ist auch klar, dass Alleinsein ein menschliches Bedürfnis ist, dass nichts mit anderen Personen zu tun haben und folglich nicht von diesen als Ablehnung persönlich genommen werden muss.
  • Wer gern und viel reist, ist dieser Tage stark herausgefordert. Was für manche wie eine Lappalie oder 1rst world problem klingen mag, fühlt sich für andere existenziell bedrohlich an. Glücklicherweise tragen wir neben unzähligen weniger angenehmen Erinnerungen auch eine schier unendliche Welt an unvergesslich schönen Momenten und ein buntes Repertoir an Fantasien in uns. So kann neben der klassischen Atemmeditation auch ein innerer Urlaub zu einem tiefen Gefühl der Entspannung, Aufregung oder Neuentdeckung des Selbst dienen. Als Inspiration können vergangene Urlaubsreisen genauso dienen wie Reiseblogs und -videos anderer Menschen oder wilde Fantasien wie eigene Jupiterreisen. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Besonders spürbar wird das Ganze, wenn man dabei alle Sinneskanäle einsetzt. Du kannst dich sicher noch daran erinnern, wie sich der Wind auf deiner Haut anfühlte oder die Kälte dir das letzte Mal im Gesicht zeckte, als du an der Ostsee standst oder kannst dir vorstellen, wie dir der Magen in die Hose rutschen würde, wenn du an der Zip line über den Amazonas rauschen würdest. Bediene dich deiner inneren Fülle!
  • Freiraum kann ebenso bedeuten, dass mir aktuell die Freiheit fehlt, Freunde und Familie nach Belieben zu sehen. Wer unter den Kontaktbeschränkungen und dem Verbot physischer Nähe leidet, hat es dieser Tage nicht leicht. Natürlich erleichtern die technischen Möglichkeiten wie Telefon, Mail, soziale Medien und Videotelefonie den Kontakt zu halten. Aber nicht jede/r hat diese Möglichkeiten und auch hier ersetzt nichts eine echte Umarmung. Auch an dieser Stelle kann das Gedächtnis, vor allem bzgl. unseres Spür-/Körpersinns der Propriozeption aushelfen. Vielleicht kennst du das komische Gefühl, wenn man nach dem gemeinsamen Spaziergang auf 2m Entfernung winkt, um sich zu verabschieden oder der Gruppenvidechat abrupt beendet ist und ein fader Nachgeschmack oder eine Art Leere bleibt. An dieser Stelle bleibt dir die Möglichkeit, dich an die übliche Verabschiedung oder Begrüßung zu erinnern und dieser nachzuspüren. Wenn es mit den entsprechenden Personen möglich ist, kannst du diese Erfahrung auch offen kommunizieren und teilen. Beispielsweise lade ich FreundInnen gern dazu ein, sich umarmt zu fühlen und rufe dabei meine auch physisch abgespeicherte Erinnerung daran wach, wie es sich anfühlt, wenn ich diese Person/en umarme. Ähnlich stelle ich mir – wenn ich während Videochats merke, dass es sich über das Medium eigenartig oder unverbunden anfühlt – vor, was ich wahrnehme, wenn diese Person/en in meiner Nähe sind. Damit nutze ich die clevere Einrichtung meines Körpers Sinneswahrnehmungen wie Gerüche oder Stimmungen abzuspeichern. Mit etwas Übung gelingt das Abrufen dieser Erinnerungen immer besser und ich fühle mich den entsprechenden Personen auch auf die phsysische Distanz nahe.
  • Bewusst Leichtigkeit in den Alltag integrieren: Wer sich aktuell viel mit den Schwierigkeiten und Einschränkungen durch Corona und dessen Folgen beschäftigt, wird es evtl. schwer haben, sich leicht und frei zu fühlen. Daher kann es hilfreich sein, den eigenen Fokus zu verschieben. Die Bewusstheit und der Fokus der Wahrnehmung sind das einzige, das potenziell gänzlich meiner Kontrolle unterliegt. Sicher ist es wichtig und funktional, informiert zu bleiben. Eine Fülle und sich widersprechende Vielfalt an Informationen kann den Geist und das Gemüt aber auch wahnsinnig ermüden und beschweren. Überprüfe für dich, welches Maß an Nachrichten für dich wichtig ist und was sich gut anfühlt und finde dein eigenes Gleichgewicht darin. Ein wenig Reduktion kann dir mehr Raum für Dinge geben, die dir ein Gefühl von Leichtigkeit geben. Schau, welche Aktivitäten du mit Leichtigkeit und Freiheit verbindest. Tanzen, Trampolinspringen, in der Dusche singen oder eine Radtour, einen Roman lesen oder während der Hausarbeit einem Hörbuch lauschen, eine Folge des Liebingscartoons aus der Kindheit, Verkleiden oder die imaginäre Reise in deinen Gedanken.

Was auch immer dir das Leben erleichtert und dich genießen lässt – sichere dieser/n Aktivität/en einen festen Platz in deiner täglichen Routine zu. Ob das zwei Minuten vor’m Einschlafen oder zwei ganze Stunden sind ist eigentlich egal, solang es machbar ist und dich nicht als weitere Aufgabe unter Stress setzt, die es aktuell unterzubringen gilt.

 

Falls du Rückmeldungen oder weitere Ideen hast, Freiheit und Leichtigkeit ins Leben zu bringen, freue ich mich über eine Mail von dir!

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